Eigenartig in seinem Ursprunge und in seiner Ausführung erhebt sich seit dem Mai 1888 auf der kahlen, runden, mit Steingerölle besäten Kuppe des dritthöchsten Berges der Riesengebirgskette dem Hohen Rad ein Denkmal, welches dem Touristen infolge seiner Einfachheit nicht grade imponieren wird, aber doch als Zeugnis von großer Energie und lebendigen Patriotismus auf einige Anerkennung zu rechnen haben dürfte.

Im März des gleichen Jahres wurde im Rahmen einer Kaiser Wilhelm Gedächtnisfeier vom Männerturnverein zu Hirschberg der Vorschlag gemacht, dem Kaiser des Deutschen Reiches ein dauerndes Denkmal auf einem hervorragenden Punkte des Riesengebirges zu errichten. Die Anregung fiel auf fruchtbaren Boden. Es wurde eine Kommission gewählt, welche die vorbereitenden Schritte zur Ausführung tun sollte. Und bald schon darauf war man über die Hauptpunkte einig. Das Denkmal sollte in Form eines Malhügels mit einer Grundfläche von 16 qm als abgestumpfte vierseitige Pyramide sich 5 Meter hoch an der höchsten Stelle des Hohen Rades erheben.

Die zuerst in Aussicht genommene Große Sturmhaube als Standort wurde aus gewichtigen Gründen fallen gelassen. Die Steine sollten sorgfältig zusammengefügt, aber nur soweit es unumgänglich notwendig erschien, durch Zement verbunden werden.

Zur Füllung wurden kleine Steine, Sand und Erde in Aussicht genommen. An der Nordostseite, dem Hirschberger Tale zugewandt, wurde die Anbringung einer großen Tafel aus schlesischen Marmor für die Widmung beschlossen und darüber ein großes Medaillonbild des verstorbenen Kaisers.*) Das Ganze sollte gekrönt werden mit einem meterhohen W aus Schmiedeeisen.

Der Platz für das Denkmal war von dem Herrn Reichsgrafen Schaffgotsch, als Grundherrn, bereitwilligst gewährt worden und die Fertigstellung der zum Denkmal gehörenden Schmuckstücke wurde möglichst beschleunigt, damit der Bau jederzeit, sobald die Naturverhältnisse des Gebirges es gestatten würden, ausgeführt werden könne.

Betreffs der zur Baustelle zu transportierenden Werkzeuge und Baustücke wurden die umfassendsten Vorbereitungen getroffen um Ende Mai mit der Ausführung zu beginnen. Die verschiedenen Riegen des Vereins hatten eine Anzahl Gegenstände zum Transport übernommen. Für die schweren Stücke wurden routinierte Träger bestellt, um dieselben vom Fuße des Hochgebirges bis auf den Kamm zu bringen. Ein Lastwagen sollte Geräte und Werkstücke so weit wie möglicjh hinaufbringen

Der für die Ausführung des Werkes festgesetzte 27. Mai kam inzwischen heran. Schon am Sonnabend vorher brach bald nach 4 Uhr früh die erste Abteilung, aus 12 Personen bestehend, zu Fuß nach Agnetendorf auf. Der Aufstieg über die Korallensteine war mit vielen Beschwerden verbunden. Der Lastwagen musste, nachdem er mit der größten Anstrengung sowie als möglich fortgeschoben worden war, an einer Lichtung unterhalb der Korallensteine abgeladen werden. Jeder der Begleitenden belud sich nach Möglichkeit, nur die schwersten Stücke wurden den gedungenen Trägern überlassen.

Um 13.15 Uhr war der Fuß der Großen Sturmhaube und um 14 Uhr das Hohe Rad erreicht. Der letzte Aufstieg über bedeutende Schneefelder war mit vielen Mühsalen verbunden. Die Kämme waren in Nebel gehüllt, das Knieholz war mit Reif überzogen und eisige Winde wehten. Ohne Verzug wurde die Arbeit begonnen.

Die Stangen an dem in der Nähe befindlichen trigonometrischen Punkte wurden, wie gestattet worden war, abgerissen und für einen Flaschenzug aufgestellt, an welchen die schweren Steine emporgezogen werden sollten.

Nach einer Ansprache sowie dem Niederlegen einer Kapsel mit diversem Inhalt welche allerlei auf den Tod des Kaisers, auf die Entstehung des Malhügels, auf den Männerturnverein und auf die Gegenwart überhaupt bezügliche Schriftstücke enthielt,wurde sofort mit dem Bau begonnen. Um 16 Uhr trafen die ersten 9 Träger mit verschiedenen in das Denkmal einzufügenden Teilen ein. Als um 18 Uhr Verstärkung aus Hirschberg eintraf, wurde der Hügel bis zu 1 Meter Höhe gefördert und dann das Nachtlager in der Schneegrubenbaude aufgesucht. Nach 5 Uhr Sonntags früh traf wiederum ein Trupp Turner, 38 Mann stark, ein, welche während der Nacht aufgestiegen waren. Das Thermometer wies minus 2 Grad nach, Nebel lagerten auf den Höhen und der Sturm brauste heftig. Trotz alledem entfaltete sich ein reges Treiben. Um 10 Uhr zogen wiederum 24 Mann heran, und nun wuchs das Werk mächtig. Gegen Mittag kamen die letzten Werkstücke an. Am Nachmittage wurde das eiserne W aufgesetzt und bis auf den Grund mit armsdicken Streben verankert.

Eine Art Wertung der vollbrachten Leistungen durch ausgegebene Marken rief einen gewissen Wetteifer wach, so das die Zahl der gesammelten Marken bei vielen 100 weit überstieg. Eine Erinnerungsmedaille soll später allen, die an der Errichtung des Denkmals sich beteiligt haben, als Andenken übergeben werden.

Noch ist zu bemerken, das am späten Nachmittage des Sonntags die gedungenen böhmischen Träger, welche die schweren Baustücke nach dem Kamme gebracht hatten, unaufgefordert, also aus eigenem Antriebe einen weg von dem Kammwege nach dem Denkmal angelegt haben, welcher den Zugang sehr erleichtert.

Der Männerturnverein wird es als seine Aufgabe erachten, das einfache Kaiserdenkmal in gutem Zustande zu erhalten, wenn elementare Einflüsse es beschädigen sollten. Möge das Denkmal noch in den fernsten Zeiten bekunden, wie der Geist der Liebe den Wiederbringer von "Kaiser und Reich" in der Zeit der Trauer zu ehren wusste !